Wir haben Nikolai vor einigen Jahren bei den deutschen Kaffeemeisterschaften kennengelernt und stehen seitdem in Kontakt. Mit seinem Unternehmen Desarrolladores de Café (zu Deutsch etwa Kaffeeentwickler, kurz DDC) will er die Kaffeewelt zum Besseren mitgestalten.
Nikolai ist ein entschlossener und zielstrebiger Typ, das beweist schon das tätowierte DDC-Logo auf seinem rechten Handgelenk. Er hat einen kritischen Blick auf ungefilterten Konsum und hinterfragt gesellschaftliche und globale Phänomene. Genau diese Eigenschaften haben ihn 2011 auch zum Specialty Coffee gebracht. Dabei ging es ihm, wie uns, darum, das beliebte Getränk Kaffee besser zu verstehen und sich nicht damit zu begnügen, dass die Bohnen billig im Supermarkt zu kaufen sind.
Nikolai kämpft in Kolumbien für besseren und fairen Kaffee
Viel zu oft geht bei Produkten, die weit weg produziert werden, der Blick für die Verhältnisse verloren. Deshalb wandert Nikolai, nach Kolumbien aus. Dorthin, wo viel Kaffee wächst, Produzent:innen hart arbeiten und oft trotzdem nicht genug verdienen, um in Würde zu leben. Anstatt die Scheuklappen aufzulassen und blind zu konsumieren, entscheidet sich Nikolai, für Veränderung zu sorgen.
In Kolumbien war es anfangs ganz schön zäh: „Die Sprache und Regeln zu lernen und alles erst einmal zu verstehen, war ziemlich arg,“ sagt Nikolai. Heute bereut er seine Entscheidung nicht. Er lernt viele interessante Kaffees kennen und stößt hier und da Mikrorevolutionen an, wie er sagt. „Du veränderst nicht die ganze Welt, aber ein paar kleine Welten,“ erklärt er.
So zum Beispiel die Welt von Norman. Als Nikolai den Kaffeebauern kennenlernt, wohnt dieser in einer kleinen, undichten Hütte aus Plastik und Planen. Er betreibt seine Farm in La Sierra, Medellín. Durch die Zusammenarbeit mit DDC und faire Preise für seinen Kaffee konnte er ein wetterfestes Holzhaus mit Betonfundament bauen. „Sowas mitzuerleben ist unser Antrieb, mit DDC weiterzumachen,“ schwärmt Nikolai.
Auch Omar Arango Tinoco kann durch die fairen Preise für seine Rohkaffees die Arbeitsabläufe auf seiner Farm für alle angenehmer gestalten. Investitionen werden möglich, wo vorher jeder Peso umgedreht werden musste. Von ihm hatten wir in der Vergangenheit auch schon Kaffees im Sortiment. Mit dem Colombia Tabi (mittlerweile vergriffen) konnten wir beim Kaffee-Panel 2021 die Expertenjury überzeugen und den 3. Platz ergattern.
Konsumentscheidungen ändern Welten
Nikolai lebt aus Überzeugung vegan. Aber ihm geht es um mehr als seinen eigenen Konsum. Er will mit seinen Entscheidungen Dinge aktiv ins Positive verändern. Dabei ist ihm völlig klar, dass man nicht alles auf einmal ändern kann. „Wer deshalb aber gar nichts ändern will, geht den falschen Weg,“ sagt er.
In Bezug auf Kaffee lautet die Frage also: Greife ich zu den Billigbohnen im Supermarktregal, bei denen nach Abzug der Kaffeesteuer praktisch gar nichts mehr bei den Farmer:innen in den Erzeugerländern hängenbleiben kann, oder entscheide ich mich für ein transparentes, faires und damit auch nachhaltiges Produkt?
Einfach zum teureren Produkt zu greifen, ist dabei selten die Lösung. Längst sind Gewinnmaximierer auf den Zug von hochqualitativem Kaffee aufgesprungen. Es gilt, sich aktiv zu informieren. Das mag zwar anstrengend sein, aber macht das Leben auch lebenswerter. Mit Artikeln wie diesem hier, geben wir in unserem Blog Leser:innen die Chance, informierte Kaufentscheidungen zu treffen.
Exzellenz, Expertentum und Ethik sind die Grundpfeiler von DDC
„Im Bereich der Exzellenz geht es darum, Kaffeeernte, Aufbereitungstechniken und Rösttechniken zu verfeinern,“ erklärt Nikolai. Er betreibt eine Kaffeeschule und auch eine Rösterei und steht stets im engen Kontakt zu den Farmer:innen, von denen er seine Kaffees für die eigene Röstung und den Export bezieht.
Er schaut hin, hört zu und will, dass Geschäftsbeziehungen keine Kämpfe, sondern Kooperationen auf Augenhöhe sind. Preise für Rohkaffee legt er gemeinsam mit Produzent:innen fest, tauscht Kaffeewissen aus und sorgt so für gemeinsames Wachstum. „Ein Experte ist für mich jemand, der jeden Tag weiterlernt,“ meint Nikolai. Das gilt sowohl für die Kaffeequalität als auch für ethisches Handeln.
Kolumbianische Rohkaffees von der Farm bis zu uns
Nikolai arbeitet mit verschiedenen Farmen zusammen. Vom Kleinbetrieb mit 3 Personen bis hin zu größeren Farmen, bei denen in der Erntezeit um die 100 Menschen arbeiten, ist alles dabei. Wichtig ist ihm, dass er einen guten Draht zu den Farmer:innen hat und dass diese bereit sind, zusammen Prozesse zu hinterfragen, um so die Qualität und Arbeitsbedingungen zu verbessern sowie auch auf Kundenwünsche einzugehen, z. B. bezüglich der verschiedenen Methoden zur Aufbereitung des Rohkaffees.
Kaffeeernte und Aufbereitung in Kolumbien
Geerntet wird von Hand. „Für alles andere ist es einfach zu steil, zumindest in den Hochlandregionen, wo wir unterwegs sind,“ erklärt Nikolai. Auf den meisten Farmen gibt es eine Haupt- und Zwischenernte. Das bedeutet, dass die Ernte sich über 5 Monate im Jahr erstreckt. Durch unterschiedliche klimatische Bedingungen finden in Kolumbien das ganze Jahr über verteilt Ernten statt. Im Juli und August wird typischerweise am wenigsten geerntet, verrät uns Nikolai.
Die geernteten Kaffeekirschen bereiten die Farmer:innen direkt auf der Farm auf. Dabei kommen verschiedene Techniken von natural über honey bis washed zum Einsatz. Nach der Aufbereitung werden die Bohnen getrocknet. Bei gewaschenen Kaffees bleibt in der Regel noch das Pergamenthäutchen an der Bohne. In sogenannten Milling Stations (Mühlstationen) wird den Bohnen mit Trockenmühlen – in Kolumbien Trilladora genannt – der letzte Schliff verpasst. Mit DDC hat Nikolai mittlerweile auch eine Trockenmühle angeschafft, um die Pergamenthäutchen selbst vor Ort zu entfernen.
So kommt der kolumbianische Kaffee nach Deutschland
Um die Rohkaffees aus der Region um Medellín nach Deutschland zu verschiffen, arbeitet DDC mit der Firma Colombian Spirit zusammen. Sie kümmert sich um alles Bürokratische mit Zollagenten, der Federación Nacional de Cafeteros (Nationaler Verband der Kaffeeerzeuger in Kolumbien, kurz FNC) und der Antidrogenpolizei. Über die Häfen von Cartagena und Santa Marta im Norden Kolumbiens treten die Rohkaffeebohnen dann ihre Reise nach Hamburg an.
Mehr dazu, wie Kaffeehandel funktioniert und wie wir Kaffee handeln, liest du im verlinkten Artikel.
Zuletzt hatten wir mit dem Colombia La Huerta einen fruchtig-floralen Filterkaffee im Sortiment. Omar Arango Tinoco baut den Kaffee auf seiner Farm Finca San Luis auf ca. 1800 Metern Höhe an. Bald kommt eine neue Bohne.
Von Nachhaltigkeit, Fairness und Labels in der dritten Kaffeewelle
Im Zuge von Third Wave Coffee lesen und hören wir viel von Nachhaltigkeit und Fairness. In der schnell wachsenden Specialty-Coffee-Szene drohen die wichtigen Themen aber zunehmend zu hohlen Marketingphrasen zu verfallen. „Viele Röstereien verlassen sich auf das, was die Importeure sagen und fragen nicht weiter nach, z. B. was konkret bei den Farmer:innen ankommt,“ so Nikolai. Er wünscht sich hier mehr Interesse, Achtsamkeit und Neugier seitens der Röster:innen.
Auch in Sachen Fairness gibt es aus Nikolais Sicht noch einiges zu tun. Aus seiner Erfahrung beträgt der Rohkaffeepreis in der Regel ca. 16 % des Röstkaffeepreises, den die Röstereien an Endkund:innen verkaufen. Mit dem Klimawandel gehen aber auch immer mehr Missernten einher, die mit Preissteigerungen nur bedingt aufgefangen werden können. Da schauen sich Produzent:innen immer öfter nach anderen Gewächsen oder Verdienstmöglichkeiten um. „Manche Röstereien in Deutschland wollen nicht mehr als 6 € pro Kilo Rohkaffee bezahlen. Bei unserem Standardkaffee in Kolumbien liegt der Preis bei 7,50 € pro Kilo,“ sagt Nikolai. „Bei 6 € bleibt für die Farmer:innen nichts mehr hängen.“
Von Labeln hält Nikolai tendenziell wenig. Auch hier verlassen sich Röstereien und Verbraucher:innen viel zu oft blind auf die gute Idee dahinter. Ihm ist die direkte Zusammenarbeit mit den Farmer:innen viel wichtiger. So sieht er direkt, wo was passiert und welche Auswirkungen das hat. Das steht im krassen Gegensatz zu einem Label, dessen Vorgaben einmal pro Jahr kontrolliert werden. Wir bedanken uns bei Nikolai für das Gespräch und hoffen, dass du einen interessanten Einblick in die Kaffeewelt Kolumbiens bekommen hast.