Klima, Bodenbeschaffenheit und Varietäten von Kaffeepflanzen bestimmen einen Großteil der Aromen in deiner Tasse. Zwischen Ernte und Röstvorgang ist vor allem die gewählte Processing-Methode ausschlaggebend für den Geschmack.
Beim Rösten schließlich beeinflussen Temperatur und Röstdauer den Kaffeegeschmack maßgeblich. Mit den beiden Parametern lassen sich Süße, Säure und Körper des Kaffees genau herausarbeiten. Je länger und heißer der Rohkaffee geröstet wird, desto prominenter sind sogenannte Röstaromen, die nichts mit den natürlichen Aromen der ursprünglichen Pflanze zu tun haben. Deshalb rösten wir tendenziell heller als es viele Kaffeefans gewohnt sind. Wer sich traut, Gewohnheiten zu ändern, bereut es selten.
Die richtigen Kaffeebohnen finden
Kaffeefarmer:innen gibt es überall entlang des Kaffeegürtels, der sich um den Äquator erstreckt. Sie bauen die verschiedensten Arten und Varietäten der Kaffeepflanze an. Von Arabica bis Robusta und von Bourbon bis Yirgacheffe. Die Gewächse sind so verschieden, wie die Länder, in denen sie kultiviert werden. Um einen geeigneten Rohkaffee für unser Röstsortiment zu finden, gilt es also erst einmal zu testen. Dafür bestellen wir in der Regel Rohkaffee-Muster.
Um herauszufinden, ob diese unseren Erwartungen entsprechen, rösten wir die grünen Bohnen in Kleinstmengen. Dafür gibt es spezielle Röstmaschinen im Miniaturformat: Wir benutzen einen Ikawa V2-Pro, den wir für kleine Teströstungen mit maximal 50 g Kaffeebohnen befüllen. Das High-Tech-Gerät aus England steht den großen Gegenstücken in Sachen Informationsgenauigkeit und Präzision in nichts nach. So kann die Temperatur und die Röstzeit immer genau überwacht und aufgezeichnet werden. Das ist wichtig, um auch bei einem zweiten, dritten und x-ten Röstgang einheitliche Ergebnisse zu erreichen.
Die Aufzeichnung des Röstvorgangs nennt man Röstkurve. Eine Software interpretiert die Informationen und stellt sie auf einem Bildschirm grafisch dar. Wir nutzen dafür ein Programm von Cropster.
Jetzt geht es an die erste Qualitätskontrolle der Teströstungen. Dafür cuppen wir sie. Das bedeutet, dass wir den Kaffee mahlen und das Kaffeemehl anschließend in Gefäße geben. Meist verwenden wir dafür kleine Gläser und gießen diese mit heißem Wasser und ohne Filter auf. Nachdem die Kaffees Zeit zum Ziehen hatten, brechen wir die Kruste aus Kaffeemehl, die sich an der Oberfläche gesammelt hat. Der erste Test ist immer der Geruchstest. Wir riechen den Kaffee und seine Aromen.
Um die Kruste zu brechen benutzen wir jeweils spezielle Cupping-Löffel. Nach dem Geruchstest schöpfen wir das Kaffeemehl ab. Anschließend schlürfen wir die Kaffees nach und nach mit Hilfe der Löffel.
Im Team schätzen wir das Potenzial und die Qualität der Samples ein. Wir entscheiden zusammen, welche der Röstungen den stimmigsten Gesamteindruck abgeben. Falls keine der „Cups“ überzeugen kann, geht es erneut an den Ikawa-Teströster, um weitere Samples zu rösten. Findet sich schließlich eine Bohne, die zum Sortiment passt, geht es an den großen Röster.
Kaffeeröstkurve entwickeln und adaptieren
Wir rösten aktuell auf unserem Trommelröster der Firma Giesen, der 15 kg fasst. Bei größeren Röstereien kommen Maschinen zum Einsatz, die mehrere Hundert Kilo Kaffee auf einmal bearbeiten. Egal um welche Maschine und welches Fassungsvermögen es sich handelt, gilt immer: testen, testen und noch mal testen!
Dank der vorausgegangenen Teströstungen auf dem Ikawa, der im Vergleich zu den großen Maschinen wie aus dem Puppenhaus wirkt, haben wir Indizien für die passende Endtemperatur und Röstdauer. Die Röstkurve selbst lässt sich nicht 1:1 adaptieren. Bei neuen Röstkurven ist unsere Erfahrung aus vorherigen Röstungen die wichtigste Informationsquelle. Außerdem legen wir eine erste Kurve passend zu den Parametern Dichte, Feuchte und Bohnengröße des Rohkaffees an. Eine weitere wichtige Frage ist, ob wir einen Filterkaffee oder einen Espresso rösten möchten.
Bei Filterkaffees setzen wir tendenziell auf hellere Röstungen mit kürzeren Röstzeiten. Bei Espressos müssen wir uns fragen, ob wir den Kaffee als Single Origin (sortenrein) oder in einem Blend anbieten möchten und entscheiden, welche Komponenten und Eigenschaften wir betonen möchten.
Bei der Entwicklung einer Röstkurve spielen verschiedene Parameter entscheidende Rollen. So lassen sich bei der Fachsimpelei zwischen Röstern zum Beispiel häufig Begriffe wie First Crack, Entwicklungszeit, Rate of Rise (RoR) oder Endtemperatur erhaschen. Diese finden sich deshalb auch häufig in den Röstkurven und Bedienfeldern der Röstsoftwares wieder. Dazu später mehr.
Kaffee rösten
Zu Beginn geben wir Rohkaffee in den Befülltrichter des Rösters. Über eine Klappe lassen wir diesen anschließend in die Rösttrommel gleiten, sobald die Maschine die richtige Temperatur erreicht hat. Jetzt heißt es: Volle Konzentration! Der Giesen leitet alle relevanten Informationen digital an unsere Röstsoftware weiter. Diese bereitet die Infos in Form einer Temperaturkurve über die Zeit grafisch auf. Unsere Röster Philip und Philipp sehen so direkt, wann und wo sie nachjustieren müssen, um das gewünschte Ergebnis zu erreichen.
Die Rohkaffeebohnen tanzen in der Röstmaschine geschwind im Kreis und sind immer in Bewegung. Den Takt gibt die eingestellte Umdrehungszahl an. Das sorgt dafür, dass die Bohnen gleichmäßig von der Außenhaut bis in den Kern geröstet werden, ohne zu verbrennen.
Die drei Röstphasen
Der Röstvorgang lässt sich grob in drei Phasen einteilen. Wie bei jeder Abstraktion ist diese Einteilung lediglich eine Hilfestellung und beschreibt nur die dominanten Geschehnisse im Röstverlauf. Anfangs trocknen die Bohnen hauptsächlich. Sie nehmen Energie in Form von Hitze auf und geben Wasser ab.
Nach der Trockenphase kommt die Maillard-Phase. Diese kündigt sich optisch durch eine Farbveränderung der Bohnen an. Sie ist benannt nach dem französischen Chemiker Louis Camille Maillard, der zum ersten Mal festhielt, dass durch die Reaktion von Aminosäuren und Zuckern eine Farbveränderung stattfindet. Die dritte und letzte Phase ist die Entwicklungsphase, die nach dem ominösen First Crack einsetzt.
Während des Röstvorgangs verändert sich die Farbe der Kaffeebohnen vom Grünlichen ins Gelbliche und schließlich Bräunliche. Über ein kleines Fenster in der Trommel lässt sich das wunderbar beobachten. Dabei verdampft ein Großteil des Wassers in den Bohnen, dessen Anteil bei der Lagerung um die 8–12 % beträgt. Nach dem Rösten sind es ca. 2,5 %.
Die Hitze im Röster setzt in den Bohnen allerlei chemische Reaktionen in Gang. Die verschiedenen natürlichen Aromen kommen so zum Vorschein, die jeden Kaffee besonders und einzigartig machen. Bei längeren Röstvorgängen treten die natürlichen Aromen zugunsten von hitzeinduzierten Röstaromen allerdings wieder in den Hintergrund. Wir setzen bei den meisten unserer Kaffees auf tendenziell hellere Röstungen. So schmeckt kein Kaffee wie der andere und es gibt immer neue und interessante Geschmacksnoten zu entdecken.
Während des Röstens vergrößern sich die Bohnen und verlieren gleichzeitig an Gewicht. Bei unseren Röstungen beträgt der Gewichtsverlust zwischen 11 und 15 %. Je länger die Bohnen in der Maschine bleiben und je höher die Rösttemperatur ist, desto leichter werden sie. Theoretisch so lange, bis nur noch Asche übrig bleibt. Dazu kommt es praktisch aber nie, schließlich ist damit niemandem geholfen.
First Crack und Second Crack beim Kaffeerösten
Neben der optisch erkennbaren Veränderung hören wir, neben dem Röster stehend, ab ca. 196 °C im Röster einen kleinen Knall. Das Geräusch ähnelt dem „Popp“, das wir vom Popcornmachen kennen. Plötzlich entweichender Wasserdampf und CO2 aus dem inneren der Kaffeebohnen verursachen das Hörerlebnis, das Röstexperten den First Crack nennen.
Zum Second Crack kommt es selten. Der Grund: Die Zellstruktur der Kaffeebohnen nimmt dabei erheblichen Schaden und die Öle aus der Bohne bahnen sich ihren Weg zur Oberfläche. Der Kaffee bekommt dann schnell einen stark rauchigen oder gar verkohlten Geschmack.
Nach 9–13 Minuten ist der Tanz der Kaffeebohnen in unserem Röster vorbei und wir führen sie über eine weitere Klappe in das Abkühlbecken (je nach Rohkaffeemenge und gewünschtem Röstgrad). Ein Rotationsfächer hält die gerösteten Bohnen darin ständig in Bewegung. So kühlen sie schneller ab und es kommt nicht zu einer ungewollten Nachröstung, die den sorgfältig überwachten Röstvorgang zunichte machen würde. Nach ungefähr 5 Minuten lassen wir den Röstkaffee dann in einen Behälter für die Lagerung rutschen.
Cupping zur Qualitätskontrolle
Jetzt geht es wieder ans Cupping, um die Qualität der Röstkurven zu beurteilen. Das passiert in unserer Rösterei jede Woche, weil wir wöchentlich rösten. Schmeckt ein Kaffee anders, als er schmecken soll, gehen wir auf Ursachensuche. Schließlich kann auch beim Rösten immer irgendetwas passieren. In unserer Rösterei spielen Wettereinflüsse aufgrund der Raumgröße zum Beispiel eine erhebliche Rolle. Wie heiß oder kalt ist es? Regnet oder stürmt es vielleicht? All das beeinflusst den Röstvorgang und muss deshalb berücksichtigt werden.
Erfüllen die Kaffees unsere Erwartungen, füllen wir sie für den Transport ab. Entweder in große weiße Pfandeimer für unsere Großabnehmer oder in unsere strahlend blauen Tüten, um sie im Onlineshop und lokal an unsere Kunden zu verkaufen.
Das bedeutet der Röstgrad bei Kaffee
Der Röstgrad gibt an, wie hell oder dunkel Kaffeebohnen geröstet sind (5er-Skala von hell bis dunkel). Die Faustregel: Je heller der Röstgrad, desto mehr natürliche Aromen der Bohne bleiben erhalten und kommen in deiner Tasse zur Geltung. Der fruchtige Ursprung des Kaffees wird deutlich.
Der Gaumen der meisten Kaffeetrinker:innen ist aber nach wie vor an starke Röstaromen gewöhnt. Man spricht dabei oft von italienischen Röstungen. Das heißt, dass die Kaffeebohnen beim Rösten sehr stark erhitzt werden und das schmeckt man. Oft wird dabei über den Second Crack hinaus geröstet.
Wir haben uns entschieden eine große Bandbreite an Geschmäckern abzudecken. Für unsere Filterkaffees erhalten wir die unterschiedlichsten Aromen der verschiedenen Kaffeebohnen und bei unseren kräftigeren Espresso-Röstungen achten wir auf eine ausgewogene Balance von Röstaromen und natürlichen Aromen. Das eröffnet eine ganz neue Geschmackswelt von spritzig-fruchtig über floral und tee-artig bis hin zu schokoladig-nussig. Hier gilt ganz klar: Wer wagt, gewinnt!
Darum ist das Röstdatum von Kaffee wichtig
Je länger Röstkaffee aufbewahrt wird, desto mehr Geschmack verliert er. (Das gilt vor allem für ganze Bohnen vs. gemahlenen Kaffee. Deshalb: Immer frisch mahlen und innerhalb weniger Minuten brühen!). Gleichzeitig ist ganz frischer Röstkaffee auch nicht ideal für den direkten Genuss. Das liegt daran, dass dieser nach dem Röstvorgang noch ausgast. Deshalb haben unsere und viele andere Kaffeepäckchen auch ein entsprechendes Einweg-Ventil, das Gas heraus, aber keinen Sauerstoff hineinlässt.
Folgende Faustregeln gelten:
- Frische Espresso-Röstungen sollte man erst 2–3 Wochen nach Röstdatum genießen. Bei Filterkaffee reicht meist schon eine Woche. Merke: Je heller die Röstung, desto kürzer die Wartezeit.
- Espresso bzw. dunkler gerösteter Kaffee schmeckt länger gut als hellerer Filterkaffee, den man innerhalb von drei Monaten verbrauchen sollte.
Die wichtigsten Infos rund ums Kaffeerösten in Kürze
- Bevor Kaffee geröstet wird, gilt es, passende Rohkaffeebohnen zu finden und Muster zu testen
- Mit Teströstungen in Kleinstchargen lässt sich am besten und nachhaltigsten experimentieren
- Beim Röstvorgang spielen Temperatur und Zeit die Hauptrollen. Die Bohnen werden dabei auf über 200 °C erhitzt.
- Der Röstvorgang lässt sich grob in drei Phasen einteilen: Trockenphase, Maillard-Phase und Entwicklungsphase.
- Je länger der Röstvorgang dauert, desto stärker überwiegen in der Regel die Röstaromen, die nach und nach die natürlichen Aromen der Kaffeepflanze verdrängen