Kaffee wächst in unseren Gefilden nicht. Das heißt: Die beliebten Bohnen müssen aufwändig importiert werden. Das passiert mittlerweile schon seit Jahrhunderten. Entdeckt wurde die Kaffeepflanze für unsere Breitengrade in Äthiopien und anschließend in verschiedene Teile der Welt gebracht. Seitdem kultivieren Farmer:innen entlang des Kaffeegürtels die Pflanze. Mehr zum Kaffeeanbau liest du in unserem Artikel.
Kaffee wurde schnell zum beliebten Aufputschgetränk in allen Ländern der Welt. Die erste Kaffeewelle erhob sich.
First Wave Coffee
Die erste Kaffeewelle schwappte in die westliche Welt und sorgte dafür, dass bald jede:r in den Genuss von Kaffee kam. Röstereien gab es viele, aber keine etablierten Marken mit gewohntem, konsistentem Geschmack. Das Motto auf Verbraucherseite lautete über weite Teile des 19. Jahrhunderts: Hauptsache Kaffee! Auf Erzeugerseite ging es also darum, möglichst günstig und schnell viel Kaffee zu bewegen.
Das in den USA ansässige Unternehmen Folgers zählt heute zu den ersten, die das änderten. James A. Folger hat es sich damals zur Aufgabe gemacht, Kaffee zu verkaufen, auf dessen Qualität und Geschmack sich die Kunden verlassen können. Der Kaffee in der Dose mit dem Label Golden Gate kam in die Supermärkte und damit in die Haushalte in San Francisco und Kalifornien. Folger selbst schipperte einige Jahre zuvor selbst durch die Golden Gate genannte Buchteinfahrt von San Francisco, wo heute die rote Golden Gate Bridge prangt.
Den gleichbleibenden Geschmack erreichte er durch Coffee Cuppings. Eine Technik, die heute noch für die Qualitätssicherung angewandt wird und laut Folgers Ende des 19. Jahrhunderts in San Francisco erfunden wurde. Auch wir cuppen unsere Kaffees regelmäßig nach jedem Röstgang, um zu prüfen, ob der Geschmack und die Qualität unsere Erwartungen erfüllen. Die Technik hat sich zur Qualitätssicherung in Röstereien fest etabliert.
Instant Coffee als Teil der ersten Welle
Um die Hürde für die Kaffeezubereitung weiter zu senken und ihn so noch mehr Menschen zugänglich zu machen, entwickelte David Strang um 1890 in Neuseeland den ersten Instantkaffee. Den ersten großen kommerziellen Erfolg mit dem Produkt erzielte Nestlé mit seiner Marke Nescafé, die 1938 gegründet wurde. Die Entwicklung des Instant-Kaffees sollte den Ernteüberschuss an Kaffee in Brasilien auffangen, indem man ihn durch den Trocknungsprozess haltbar machte.
Die schnelle Zubereitung ohne Equipment war auch unter den U.S.-amerikanischen Soldaten während des zweiten Weltkriegs sehr beliebt. Bei ihrer Rückkehr in die Staaten wurde der Instant-Kaffee schnell zum Grundnahrungsmittel in jedem Haushalt.
Erst Mitte der 1960er Jahre ebbte die erste Kaffeewelle langsam ab und die zweite Welle schwoll heran.
Second Wave Coffee
Mit der Gründung von Peet’s Coffee in Berkeley, Kalifornien, bekam der Begriff des Specialty Coffee zum ersten Mal breitere Aufmerksamkeit. Alfred Peet gründete das Unternehmen mit Fokus auf qualitativ hochwertigen Kaffee. Damit schuf er auch ein Bewusstsein für die verschiedenen Aromen und Geschmacksnoten von unterschiedlichen Kaffeepflanzen und ihren Varietäten. Er röstete die Bohnen in kleinen Chargen in Handarbeit. Dabei ging es aber vorrangig um Espresso.
1979 verkaufte er Peet’s Coffee an einen Unternehmer, arbeitete aber als Berater und Kaffeeeinkäufer vier weitere Jahre dort. Ein Jahr nach Peet’s Ausstieg kauften die Gründer von Starbucks Peet’s Coffee auf und verkauften wenig später sogar Starbucks, um sich voll und ganz auf Peet’s Coffee zu konzentrieren. Der damalige Käufer von Starbucks, Howard Schultz, ist heute übrigens immer noch der Geschäftsführer des milliardenschweren Unternehmens, dessen Shops von Kalifornien über Europa und Afrika bis an die chinesische Mauer und darüber hinaus zu finden sind. Die Zeit war geprägt von dunkleren Röstungen, Espressos und natürlich den heute noch bekannten Mischgetränken von Starbucks und Co.
Die Specialty Coffee Association of America (SCAA) wurde 1982 gegründet und heißt heute nur noch Specialty Coffee Association (SCA), nachdem die SCAA und die Specialty Coffee Association of Europe 2017 fusionierten. Sie legte Kriterien für die Qualitätsbeurteilung von Kaffee fest und bietet entsprechende Ausbildungen für sogenannte Q-Grader:innen an.
Die Vermutung liegt nahe, dass die Menschheit an diesem Punkt mit ihren großen Kaffeehäusern in vielen Aspekten wieder in der ersten Kaffeewelle steckt, in der es hieß: Hauptsache viel Kaffee verkaufen. Der Geschmack handwerklich gerösteter Kaffeebohnen tritt dadurch wieder in den Hintergrund.
Und so kommen wir schließlich zur dritten Kaffeewelle, dem Third Wave Coffee.
Third Wave Coffee
Mit der dritten Kaffeewelle haben sich viele Kaffeefans auf die handwerkliche Röstqualität zurückbesonnen. Was erst einmal wie ein Revival der zweiten Kaffeewelle klingt, ist in seiner Idee und Vision aber viel mehr. Das liegt zum einen an einem neuen Konsumbewusstsein und zum anderen auch daran, dass Themen wie Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Konsumkritik seit einer Weile sehr präsent sind.
Die Third Wave bringt hellere Röstungen ins Bewusstsein, bei der die Röstaromen in den Hintergrund treten. Es geht darum, Kaffee zu zelebrieren. Langsame Brühmethoden wie der typische Handfilter (V60 und Co.) kommen wieder in Mode. Zum ersten Mal spielen auch die sozialen und ökologischen Faktoren in den Ursprungsländern des Kaffees eine übergeordnete Rolle im Bewusstsein der Röstereien und Konsument:innen.
Verbände wie die International Women’s Coffee Alliance (IWCA) wollen für mehr Vernetzung, Befähigung und Gerechtigkeit sorgen. Bewusste Konsument:innen schauen genauer hin, woher ihr Kaffee kommt, wo er angebaut und wie er weiterverarbeitet wird. Dabei geht es einerseits um ein neues Qualitätsbewusstsein und eine neue Genusskultur sowie andererseits darum, sich seiner sozialen und ökologischen Verantwortung bewusst zu sein.
Die Idee zur Gründung der International Women’s Coffee Alliance kam 2003 auf. Seitdem wurden in über 28 Ländern der Welt Ableger gegründet, die eine gemeinsame Mission verfolgen und je Ableger auch eigene Ziele formulieren. Die Mission liegt im Empowerment von Frauen in der internationalen Kaffeegemeinschaft. Mehr erfährst du auf der Website der IWCA und in ihrem kürzlich erschienenen IWCA-Jahresbericht 2021 (Englisch).
Um in Sachen Qualität weiterzukommen, sind persönliche Beziehungen zu den Farmer:innen notwendig. So lassen sich Anforderungen, Wissen und Möglichkeiten direkt kommunizieren. Außerdem ist es so erst möglich, echte Transparenz in Sachen ökologischer Nachhaltigkeit und sozialer Fairness in den Ursprungsländern zu erlangen. Auch deswegen wird der Direkthandel (engl. Direct Trade) häufig im selben Atemzug mit Third Wave Coffee genannt.
Auch wir als Günter Coffee Roasters verstehen uns als Teil der dritten Kaffeewelle, allerdings mit Vorbehalten. Während wir manche Kaffees aus Direkthandel beziehen, kaufen wir andere über Import-Partner für Specialty Coffee, z. B. das Unternehmen Cafe Imports. Das ermöglicht es uns, mit mehr Kaffees aus verschiedenen Ländern zu arbeiten, sorgt aber für Transparenzeinbußen. Langfristig möchten wir mehr Kaffee direkt beziehen. Wie wir aktuell Kaffee kaufen, liest du in unserem Artikel zum Kaffeehandel.
Quo vadis Third Wave Coffee?
Die ersten Third-Wave-Röstereien, die in den 1990er Jahren in den USA aufgekommen sind, gehören mittlerweile zu Großkonzernen. Zu erwähnen sind hier vor allem Stumptown Coffee Roasters und Intelligentsia Coffee & Tea, die zu der deutschen JAB Holding gehören. Auch Peet’s Coffee wurde 2012 von der milliardenschweren Holding übernommen.
Allerdings sprießen auch ständig neue, handwerklich orientierte Röstereien im Kaffeekosmos und halten die Idee der Third Wave of Coffee hoch.
Trotzdem muss die Frage gestellt werden, wohin sich die dritte Kaffeewelle bewegt. Die Nachfrage wächst und damit wächst auch der Markt. Sobald ein Markt bzw. eine seiner Nischen stark wächst, wachsen Begehrlichkeiten. Immer mehr Menschen mit einem Händchen für Geschäfte loten dann aus, wo sie andocken können, um mitzuverdienen. Großfarmbesitzer:innen, Ex- und Importunternehmen, Reseller, „klassische“ Großröstereien und Investor:innen steigen ein.
Third Wave Coffee in Deutschland
Auch in Deutschland vereinnahmen gerade große Unternehmen die wachsende Third-Wave-Bewegung zunehmend für sich. Alteingesessene Röstereien drängen mit Tochtergesellschaften in den Specialty-Coffee-Markt, kaufen andere Unternehmen auf und/oder mischen über eigene Marktplätze in der Szene mit. Mit riesigen Budgets werben sie sich den Weg zu den Konsument:innen.
So hat Melitta im Jahr 2021 den Marktplatz Roastmarket übernommen, Dallmayr unterhält die Spezialitätenkaffeerösterei Azul aus Bremen und Tchibo hat den Marktplatz roasted gegründet. Sogar das Beratungsunternehmen Boston Consulting Group mischt mit. Das Tochterunternehmen BCG Digital Ventures hat 2022 für das Johann Jacobs Haus 60beans an den Start gebracht.
Diese Marktplätze für Kaffee bieten für kleinere Röstereien gute Möglichkeiten, bekannter zu werden und ihre Kaffeebohnen einem breiteren Publikum anzubieten. Das Kapital hinter den Plattformen verspricht hohe Marketingaufwendungen und damit Reichweite, von denen die Röstereien im Alleingang nur träumen können.
Mittel- und langfristig wird sich zeigen, welche Dynamiken sich entwickeln und wie die großen Inhaberfirmen ihre neu gewonnene Macht in der Specialty-Coffee-Szene nutzen. Fest steht, dass Kund:innen zunehmend ein Bewusstsein für die sozialen und ökologischen Hintergründe ihres Konsums entwickeln. Das gilt besonders für die Specialty-Coffee-Szene und es liegt an uns, dass dieses Bewusstsein mit dem Marktwachstum nicht ins Hintertreffen gerät.
Fest steht auch, dass kleine Röstereien den großen gegenüber immer den Vorteil haben, dass sie viel Zeit und Mühe in die Handwerkskunst des Röstens investieren können. Je größer ein Röstereibetrieb, desto eher geht die Präzision verloren.
Wir bleiben gespannt und wachsam.
Nachtrag Dezember 2022: Die Kaffeemarktplätze werden aktuell heiß diskutiert. So haben Pingo von Quijote Kaffee, Benjamin von den Kaffeemacher:innen, Arne Preuß von Coffeeness und Wolfram von Backyard Coffee zusammen einen Artikel veröffentlicht, in dem sie die Marktplätze aus Röstersicht kritisch betrachten. Die Lektüre lohnt sich aber auch für Kunden. Von uns gibt es eine klare Leseempfehlung.
Von First Wave zu Third Wave Coffee in Kürze
- Kaffee verbreitete sich mit der sogenannten ersten Kaffeewelle während des Jahrhunderts auf der ganzen Welt.
- In der ersten Welle ging es hauptsächlich darum, Kaffee möglichst vielen zahlenden Menschen zugänglich zu machen. Quantität vor Qualität; Hauptsache Kaffee!
- Die zweite Welle kam Mitte der 1960er Jahre mit „Peet’s Coffee“ in Kalifornien auf und prägte ein neues Qualitätsbewusstsein. Der Specialty-Coffee-Begriff taucht erstmals auf.
- Die dritte Kaffeewelle kam in den 1990er Jahren Hellere Röstungen, Filterzubereitungsmethoden und vor allem die Herkunft des Kaffees rückten in den Mittelpunkt.
- Die bewussteren Konsument:innen möchten wissen, woher der Kaffee kommt, wer ihn anbaut, wie er verarbeitet wird und wie die sozialen und ökologischen Hintergründe sind.