Co-Fermentierte und Infused Kaffees: Was steckt dahinter?

Co-Fermentierte und Infused Kaffees: Was steckt dahinter?

Die vielen Aromen der Kaffeepflanze bescheren uns dauernd neue Geschmackserlebnisse. Mit den Aufbereitungsmethoden „Co-Fermentation“ und „Infusion“ wird diese Palette erweitert. Aber wie?

Was ist die Specialty Coffee Association? Du liest Co-Fermentierte und Infused Kaffees: Was steckt dahinter? 7 Minuten

Stell dir vor, du kaufst eine neue Bohne, brühst dir damit deinen gewohnten morgendlichen Filterkaffee und schmeckst zum ersten Mal eine unglaublich klare Note von Erdbeere, Zimt oder sogar Wassermelone. So intensiv, dass du dich fragst: „Kommt das wirklich nur von der Kaffeebohne?“ Diese Frage ist in der Kaffeewelt aktuell präsenter denn je. Neben den klassischen Aufbereitungsmethoden, die wir in unserem Artikel über Coffee Processing beschrieben haben, etablieren sich immer mehr experimentelle Techniken.

Zwei Begriffe, die dabei für Aufsehen und hitzige Diskussionen sorgen, sind „Co-Fermentation“ und „Infused Coffee“. Sie versprechen völlig neue Geschmacksprofile, allerdings bleibt die Frage: Wie geht das? Und warum wird so kontrovers darüber diskutiert? Wir klären auf.

Einschub: Was bedeutet Fermentation bei Kaffee?

Bevor wir zu den neuen Methoden kommen, klären wir kurz, was Fermentation im Kaffeekontext überhaupt bedeutet. Nach der Ernte sind die Kaffeebohnen von Fruchtfleisch und darunter von einer klebrigen Schleimschicht (Mucilage) umgeben. Diese Schicht ist reich an Zucker.

Bei der Fermentation zersetzen natürliche Mikroorganismen wie Hefen und Bakterien diesen Zucker. Dieser Schritt ist entscheidend für die Entwicklung der Aromen im Kaffee. Ob gewaschen, natural oder honey processed – Fermentation spielt immer eine Rolle, mal mehr, mal weniger kontrolliert. Sie bestimmt maßgeblich, welche Aromen sich in einem Kaffee nach der Röstung und dem Brühen entfalten.

Was sind Co-Fermentation und co-fermentierter Kaffee?

Bei der Co-Fermentation gehen Kaffeeproduzent:innen einen unorthodoxen Schritt. Anstatt die Kaffeekirschen allein zu fermentieren, geben sie weitere Zutaten mit in den Fermentationstank oder das Fass. Die Kaffeekirschen oder die bereits entpulpten Bohnen werden also gemeinsam mit natürlichen, aromatischen Zutaten fermentiert. Das können Früchte wie Erdbeeren, Maracuja, Orangen, aber auch Gewürze wie Zimtstangen oder Kräuter sein. Alles geschieht in einem kontrollierten, oft anaeroben, das heißt sauerstofffreien, Umfeld.

Auch wenn dabei stets beteuert wird, dass es nicht darum gehe, dem Kaffee einfach einen Geschmack aufzudrücken, wäre dies zumindest eine Möglichkeit. Und die ist auch wirtschaftlich interessant: Bohnen niederer Qualität, die geschmacklich eher fad sind, können so interessanter gemacht und damit teurer verkauft werden.

Die zugefügten Zutaten beeinflussen die mikrobielle Umgebung im Tank. Die Hefen und Bakterien verstoffwechseln bei der Co-Fermentation nicht nur den Zucker der Kaffeekirsche, sondern auch den der beigefügten Früchte oder anderer, natürlich zuckerhaltiger Zutaten. Dadurch entstehen völlig neue und komplexe chemische Verbindungen, die von der Kaffeebohne absorbiert werden. Das Ergebnis ist ein tief integriertes und oft sehr vielschichtiges Aroma, das ohne diesen Prozess nicht möglich wäre. Man kann es sich ein wenig wie beim Brauen von Craft Beer vorstellen, wo ebenfalls Hopfen, Früchte oder Gewürze den Gärprozess beeinflussen und für einzigartige Geschmacksrichtungen sorgen.

Was ist Infused Coffee?

Der Begriff „Infused Coffee“ (auf Deutsch etwa aromatisierter Kaffee) wird oft synonym verwendet, beschreibt aber einen anderen Ansatz. Hierbei wird dem Kaffee gezielt ein Aroma hinzugefügt. „Infusion“ ist ein breiterer Begriff und kann in verschiedenen Phasen der Kaffeeaufbereitung stattfinden. Die Methoden sind vielfältig:

  • Die Kaffeebohnen werden in aromatisierten Flüssigkeiten oder Sirupen eingeweicht.
  • Sie werden mit ätherischen Ölen oder Extrakten besprüht.
  • Sie werden während der Trocknung auf Betten mit Kräutern oder Gewürzen gelagert.
  • Der Rohkaffee wird in Fässern gelagert, in denen zuvor Rum, Whiskey oder Wein reifte. Der sogenannte Barrel-Aged Coffee ist somit auch eine Form von „Infusion“.

Während die Co-Fermentation ein biologischer Prozess ist, der neue Aromen natürlich entwickelt, zielt die Infusion darauf ab, ein bestehendes Aroma direkt auf die Bohne zu übertragen. Der Geschmack ist dadurch oft direkter, intensiver und klarer zu erkennen. Die Gefahr besteht jedoch, dass das Aroma aufgesetzt wirkt und die kaffeeeigenen Aromen fast vollständig überdeckt. Wie so oft gilt aber auch hier im übertragenen Sinne: „Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift sei“ (Paracelsus-Prinzip). Wer weiß, worauf man achten muss und sein Handwerk versteht, schafft es auch, einen Infused Coffee so zu gestalten, dass er richtig gut schmeckt.

Experimentierfreudigkeit vs. Tradition: Die große Kontroverse

Die experimentellen Methoden der Co-Fermentation und der Infusion spalten die Spezialitätenkaffee-Szene. Die Diskussion wird meist emotional geführt und wirft grundlegende Fragen über Authentizität und den Wert von Kaffee auf.

Kaffeefans wissen über die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der Aromenpalette von Kaffee oft gut Bescheid und erkennen einen co-fermentierten oder aromatisierten Kaffee treffsicher. Das heißt allerdings nicht, dass alle von ihnen diesen Methoden und neuen Geschmäckern in ihrem Lieblingsgetränk nichts abgewinnen können. Trotzdem herrscht in der Szene eher eine ablehnende Haltung gegenüber den wenig puristischen Aufbereitungsansätzen. Einig ist man sich dabei, dass die Methoden transparent kommuniziert werden sollten, denn: Wenn sich ein versierter Produzent sehr viel Mühe bei Co-Fermentation oder Infusion gibt, wird es für die Konsumenten und Experten auch schwieriger, diese zu erkennen.

Gleichzeitig wäre eine solche Ausklügelei extrem aufwändig und mit einem hohen zeitlichen, finanziellen sowie technischen Aufwand verbunden. Damit stellt sich die Frage, inwiefern die Befürchtungen von Puristen bezüglich der Gefahr der intransparenten Anwendung dieser Methoden tatsächlich gerechtfertigt sind. Auch der mögliche wirtschaftliche Schaden aufgrund von Reputationsverlusten bei einer Aufdeckung etwaiger verdeckter Co-Fermentationen und Infusionen dürfte, gerade in der Specialty-Szene, eine große Abschreckung für Produzenten und Röster sein.

Einzigartige Geschmackserlebnisse, wirtschaftliche Anreize und kontrollierte Geschmacksprofile auf der einen Seite stehen also den Argumenten von Traditionalisten auf der anderen Seite entgegen. Sie befürchten einen Verlust des sogenannten Terroirs, also dem Geschmackseinfluss der Varietät, der Anbauregion und deren Klima, mangelnde Transparenz aufgrund fehlender verbindlicher Regelungen und unfaire Bedingungen bei Kaffeewettbewerben. Einige Wettbewerbe, wie der renommierte „Best of Panama“, bei dem Rohkaffee immer wieder regelrechte Mondpreise erreicht, haben die experimentellen Aufbereitungsmethoden bereits disqualifiziert.

Unser Fazit: Eine Frage von Realismus, Transparenz und Geschmack

Co-fermentierte und infundierte Kaffees sind nicht nur ein kurzlebiger Trend – und das ist auch gut so. Die Kaffeewelt wandelt sich immer wieder, es gibt unzählige motivierte Menschen, die ihre kreativen Ideen einbringen und so für eine Dynamik sorgen, die Kaffee nicht langweilig werden lässt und dazu beiträgt, dass auch immer neue Kaffeebegeisterte nachströmen. Ohne diesen Wandel hätten wir keinen hochqualitativen Spezialitätenkaffee, keine ausgeklügelten Processing-Methoden, keine hell gerösteten Kaffees, die den fruchtigen Ursprung unserer Lieblingsbohne zelebrieren. Stattdessen hätten wir einen sehr dunkel gerösteten Einheitsbrei, der sich hauptsächlich durch die Verpackungen der einzelnen Hersteller unterscheiden würde.

Natürlich muss nicht jeder jede neue Idee gutheißen oder gar feiern, aber sie deshalb ersticken zu wollen, ist kontraproduktiv. Ob man sie als spannende Weiterentwicklung oder als Verfälschung des reinen Kaffeegeschmacks betrachtet, ist oft eine persönliche Frage. Auch in unserem Team gibt es dazu geteilte Meinungen. Fest steht: Nur weil es das eine gibt, wird das andere nicht aussterben.

Ich finde: Der entscheidende Punkt ist Transparenz. Solange Kaffeeproduzent:innen und Händler offen kommunizieren, welche Methoden angewendet wurden, hat jeder die Freiheit zu entscheiden, was er probieren möchte. Ein als „Strawberry Co-Fermented“ deklarierter Kaffee ist eine ehrliche Einladung, etwas Neues zu entdecken. Wenn der Rohkaffee, der bei der Co-Fermentation zum Einsatz kommt dann auch noch selbst eine hohe Qualität aufweist – wieso nicht probieren?

Diese Kaffees werden den klassischen, herkunftstypischen Spezialitätenkaffee nicht ersetzen, aber sie erweitern die Palette an verfügbaren Geschmackserlebnissen. Wenn du also die Chance hast, einen solchen Kaffee zu probieren – sei neugierig! Es ist eine wunderbare Gelegenheit, den eigenen Horizont zu erweitern. Hinterher kann man sich immer noch getrost dagegen entscheiden, das Gebiet der Co-Ferments und Infused Coffees weiter zu erforschen.

Auch wir haben mit unserem diesjährigen Colombia La Sirena (2025) einen als co-fermentiert aufbereiteten Kaffee im Programm, der mit Zimt versetzt wurde. Zusammen mit Holger von der Destillerie Onsen haben wir mit Bom Elena außerdem einen Infused Coffee entwickelt, der zwei Wochen im Rumfass aus Zwetschgenholz gelagert wurde. Diesen vertreiben wir exklusiv in unserem Günter Coffee Store.

Schön, dass du bis hierhin gelesen hast!
Dieser Artikel wurde zuletzt am 25.11.2025 aktualisiert. Wir überprüfen unseren Blog regelmäßig auf Aktualität und freuen uns immer über Feedback, entweder als Kommentar zum Beitrag oder per Mail an nico@guentercoffee.com.

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