Bild der Finca San Luis in den tropischen Wäldern Kolumbiens. Blog-Header.

So baut Omar auf der Finca San Luis in Kolumbien Kaffee an

Wir schreiben das Jahr 1977 und die Familie Tinoco, Kaffeeproduzenten aus Kolumbien, steht am Scheideweg. Omar war damals noch klein, sein Vater schwerkrank und die Geschäfte liefen mies. Hinzu kam eine Missernte. Was also tun, aufgeben? Omar hat sich fürs weitermachen entschieden. Philip hat ihn in Kolumbien besucht.
Was ist Kaffee Cupping? Du liest So baut Omar auf der Finca San Luis in Kolumbien Kaffee an 9 Minuten Weiter Arabica-Kaffee und seine Varietäten: Bourbon, Typica, Geisha und Co

Wenn auf einer Kaffeefarm der Großteil einer Jahresernte ausfällt, ist das in der Regel existenzbedrohend. Die knapp kalkulierten Preise erlauben keine hohen Rücklagen, außerdem sind Kredite gängige Praxis – wie bei vielen Unternehmen mit einem größeren Handelsvolumen. Können die nicht mehr bedient werden, gibt es auch kein frisches Geld aus neuen Krediten. Für Omar bedeutete das: Kein Geld für Dünger und Pflanzenschutzmittel, wie die Industrieriesen ihre Spritzmittel gerne nennen. Die waren aber vor 1977 auf der Finca San Luis wie selbstverständlich im Einsatz. Der damals 17-jährige Omar musste sich also etwas Neues ausdenken, um seine Farm zu behalten.

Er entschied sich für die Farm und befasste sich verstärkt mit ursprünglichen Methoden des Kaffeeanbaus, stellte seinen Dünger selbst her und sorgte mit neuen Bäumen und Pflanzen für mehr Biodiversität auf der Finca San Luis. Heute, rund 50 Jahre später, betreibt er eine Farm mit einer außergewöhnlichen Artenvielfalt. Er sagt, dass die Finca mittlerweile eine weitaus komplexere Tier- und Pflanzenwelt beherbergt als die umliegenden Wälder.

Omars Ansatz heißt Biodiversität statt Monokultur

Teile der Finca überlässt die Familie Arango bewusst sich selbst, damit sich die Natur erholen und ausbreiten kann. Ein konkretes Beispiel: Es gibt einen Teil auf der Finca, in dem das Mikroklima für den Kaffeeanbau eher ungeeignet ist. Hier hat Omar aufgeforstet und das Stück Land anschließend der Natur überlassen. Unter anderem wachsen dort Palmenarten, die vom Aussterben bedroht sind. Generell hält er wenig von Monokulturen. Auch dort, wo auf ihrer Farm Kaffee wächst, pflanzt Familie Arango andere Pflanzen und Bäume an. Auf Pestizide und Fungizide verzichten sie.  

Einen besonderen Fokus legt die Familie auf die Vogelwelt. Davon profitieren beide Seiten. Sie schaffen einen vogelfreundlichen Lebensraum, damit die Vögel sich auf der Farm ansiedeln, während diese sich zuverlässig um das Ungeziefer an den Kaffeesträuchern kümmern. Dafür pflanzt Omar beispielsweise Bienenkorb-Ingwer, in dessen Blütenständen sich Wasser sammelt, über das sich Kolibris freuen.

Bienenkorb-Ingwer auf der Finca San Luis in Kolumbien, bot. zingiber spectabile

Bienenkorb-Ingwer auf der Finca San Luis. Die botanische Bezeichnung lautet Zingiber spectabile.

Omar konnte mit seinem neuen alten Ansatz auch weitere Farmer überzeugen. Mit ihnen arbeitet er an der Errichtung eines Schutzgebietes, in dem auch Zugvögel aus Nordamerika und Kanada Zuflucht finden sollen. Er schätzt, dass etwa 250 verschiedene Vogelarten auf seiner Finca leben. Aber nicht nur in der Luft, sondern auch auf dem Boden tummeln sich allerlei Tiere, z. B. 10 verschiedene Ameisenarten. Läuft man über die Farm, hört man überall verschiedene Vogelstimmen. Schaut man auf den Boden, bewegt sich alles. Alles fühlt sich unglaublich lebendig an.

Kaffeeanbau zwischen Natur und Kultur

Auf der Finca San Luis wachsen die Kaffeepflanzen inmitten von Bäumen, Sträuchern und anderen Pflanzen. Grundsätzlich pflanzt Omar seine Kaffeevarietäten gemischt an. So finden wir Typica, Gesha, Maragogype, Bourbon, Caturra und wilde Kreuzungen davon über die Farm verteilt. Der Grund: viele Schädlinge und Krankheiten sind auf eine Varietät der Kaffeepflanze spezialisiert. Somit ist es für sie schwerer, sich in einem bunt gemischten Lot auszubreiten.

Auf den Blättern von Omars Kaffeepflanzen sind oft Pilze und Sporen zu finden, Stämme und Äste sind von Flechten und Moos umringt. Die Mikroorganismen tun der Pflanze gut und verhindern die Ausbreitung von Schädlingen wie Kaffeerost. Seine Farm erstreckt sich über 50 Hektar – die Anbauflächen befinden sich zwischen 1600–1950 Metern über dem Meeresspiegel. Deshalb gibt es auch verschiedene Klimazonen, von denen manche sehr feucht, andere besonders schattig und wieder andere sehr sonnig sind. Die Bedingungen für den Kaffeeanbau am tiefsten Punkt der Farm sind andere als die am höchsten Punkt. Daraus ergeben sich die verschiedenen Lots der Finca San Luis.

Omar Arango Tinoco und Philip Weller auf der Farm Finca San Luis zwischen Kaffeebäumen.

Omar Arango Tinoco und Philip Weller auf der Kaffeefarm Finca San Luis zwischen Kaffeebäumen.

Noch gibt es auf Omars Farm sortenreine Lots, die er allerdings nach und nach mit dem genannten Varietätenmix ersetzt. Er pflanzt aber erst nach, wenn eine Pflanze gar nicht mehr produktiv ist. Bis dahin lässt er sie so lange wie möglich stehen. Im konventionellen Kaffeeanbau werden Pflanzen, die weniger Ertrag bringen, praktisch direkt durch neue ersetzt. Omar setzt stattdessen auf Techniken wie Zoca, um sie wieder produktiver zu machen. Dafür schneidet er ältere Pflanzen zwischen 12–15 Jahren radikal zurück, damit sie neue Wurzeln bilden und anschließend wieder gut gedeihen.

In einem besonders feuchten Lot hat er das Nachtschattengewächs Lulo gepflanzt, das auch Quitorange oder Naranjilla genannt wird. Die Pflanze sorgt dafür, dass der Boden weniger feucht ist und sich wieder besser für den Kaffeeanbau eignet, der zwischen den Lulopflanzen stattfindet. Aus den kleinen orangenen Früchten lässt Omar Saft pressen, der reich an Vitamin A und C ist und fruchtig-säuerlich schmeckt.

Erntezeit und Aufbereitung auf der Finca San Luis

Auf der Finca San Luis gibt es das gesamte Jahr über erntereife Kaffeekirschen. Das liegt vor allem an dem speziellen Klima Kolumbiens, weil es sich in der Nähe des Äquators befindet. Es kommt vor, dass an einer einzelnen Kaffeepflanze sowohl unreife als auch reife Kirschen und gleichzeitig Blüten vorkommen. Trotzdem gibt es Haupt- und Nebenerntezeiten, in denen mehr oder weniger reife Kirschen zum Ernten an den Ästchen sind. Alle 15–20 Tage werden die reifen Kirschen auf der Finca geerntet, in den Hauptzeiten schafft ein Pflücker 50 kg pro Tag.

Reife und unreife Kaffeekirschen auf der Finca San Luis in Kolumbien.

Reife und unreife Kaffeekirschen auf der Finca San Luis in Kolumbien.

Grundsätzlich bietet Omar seinen Kund:innen alle grundlegenden Kaffee-Aufbereitunsgmethoden an: washed, honey und natural. Aufgrund des sehr feuchten Klimas sind Naturals aber besonders schwierig zu produzieren. Die Trocknung in der Kaffeekirsche dauert deshalb sehr lange. Darüber freut sich vor allem Schimmel, der sich durch die Kirsche frisst. Das führt beispielsweise zu Phenoldefekten, die sich unangenehm in der Tasse bemerkbar machen.

Nach der Ernte kommen die Kaffeekirschen in ein Wasserbad, um sie zu sortieren. Das hilft, um defekte Kirschen zu identifizieren, weil diese an der Wasseroberfläche schwimmen. Sie nennen wir Floater. Intakte Kirschen sinken nach unten und werden Sinker genannt. Die Floater werden abgeschöpft und für den lokalen Markt aufbereitet, die intakten Sinker sind für den Export bestimmt.

Omar hat auf seiner Finca San Luis eine eigene Nassmühle (engl. wet mill), in der Kaffee für die gewaschene Aufbereitung verarbeitet wird. Die Kaffeekirschen kommen in eine Trommel, die ein bisschen an eine Drehkäsereibe erinnert. Diese wird unter Wasserzufuhr schnell gedreht, was dazu führt, dass das Fruchtfleisch der Kaffeekirsche sich von der Kaffeebohne löst. Dieser Prozess wird auch Entpulpen (engl. Depulping) genannt, wobei Pulpe für das Fruchtfleisch steht.

Beispiel: Aufbereitung unseres Kaffees Colombia La Huerta

Ab heute bieten wir einen neuen Kaffee aus Kolumbien an, der direkt von der Finca San Luis stammt. Die Kaffeekirschen für unseren Colombia La Huerta (mittlerweile vergriffen), was übersetzt „der Garten“ heißt, bereitet er folgendermaßen auf:

Der Kaffee oxidiert als ganze Frucht 48 Stunden lang in Obstkisten. Das bedeutet, dass er während dieser Zeit in Kontakt mit Sauerstoff steht. Dabei setzen allerlei chemische Prozesse ein, die den Geschmack des Kaffees später maßgeblich beeinflussen. Nach 48 Stunden entfernen Arbeiter:innen auf der Finca San Luis das Fruchtfleisch in einer Wet mill. Danach bleiben die Kaffeebohnen 2 Stunden im Fermentationsbecken unter Wasser liegen und werden anschließend auf afrikanischen Betten zum Trocknen ausgelegt.

Dort bleiben sie, je nach Wetter, 2–5 Tage liegen, bis sie den größten Teil ihrer Feuchtigkeit verloren haben. Anschließend werden sie in maschinellen Trocknern auf 11 % Restfeuchte getrocknet. Omar nutzt dafür verschiedene Silos, von denen er eines mit Resten aus der Kaffeeproduktion befeuert. Die übrigen, kleineren Silos betreibt er mit Gas. Haben die Kaffeebohnen die gewünschte Restfeuchte erreicht, kommen sie in eine Trockenmühle (engl. dry mill), wo man sie von den dünnen Pergamenthäutchen trennt. Anschließend findet noch einmal ein Sortiergang statt, bevor die Kaffeebohnen für den Export nach Europa in Säcke gefüllt werden.

In den vergangenen Jahren haben Nikolai und Omar gemeinsam verschiedenste Fermentationen und experimentelle Aufbereitungsmethoden für Kaffeekirschen ausprobiert und weiterentwickelt. Darunter sind Fermentationen mit und ohne Sauerstoff – wir sprechen hier von aerob und anaerob –, unter Druck und ohne Sauerstoff, wie bei der Kohlensäuremaischung (engl. carbonic maceration) oder mit Hilfe von Hefen oder der Beigabe von anderen Stoffen wie beispielsweise Kombucha aus Kaffeekirschen. Den Skoby dafür, also den Kombucha-Pilz, hat Omar eines Tages zufällig in den Fermentationsresten entdeckt und dann damit experimentiert. Es gibt schier unendliche Möglichkeiten, die Kaffees geschmacklich zu beeinflussen.

Kaffee-Fermentation im Faß mit Hefezusatz.

Kaffee-Kombucha-Scoby im Faß.

Warum Omar für die Finca San Luis kein Bio-Siegel hat

Die Finca San Luis gehört offiziell noch der Mutter des 63-jährigen Omar, allerdings kümmert er sich schon seit einiger Zeit voll und ganz um jeden Schritt des Kaffeeanbaus und des Verkaufs. Seine Finca San Luis hat keine Zertifizierungen wie das Bio-Siegel. Er könnte, aber will es nicht haben. Sein Ansatz, Kaffee anzubauen, geht weit über die Anforderungen hinaus. Ihm gehen diese aber nicht weit genug und außerdem, so erzählt er uns, wollen viele Käufer:innen den Kaffee lieber etwas günstiger haben, anstatt die Bio-Prämie zu bezahlen. Omar arbeitet aber gemeinsam mit anderen Farmern an einem Siegel, das nachhaltiges Arbeiten im Kaffeeanbau abbilden soll.

Omar Arango Tinoco hat eine beeindruckende Farm geschaffen, von der er mir jeden Meter bereitwillig, offen und freundlich gezeigt hat. Wenn er erzählt, merkt man, dass er für den Kaffeeanbau brennt. Seine Idee und Philosophie haben mich tief beeindruckt und ich freue mich, dass wir Geschäftspartner sind. Wenn du mehr über Omar und seine Finca San Luis erfahren möchtest, kannst du ihm auf Instagram folgen. Den Kontakt zu Omar hat unser Freund Nikolai Fürst von Desarrolladores de Café hergestellt.

Schön, dass du bis hierhin gelesen hast!
Dieser Artikel wurde zuletzt am 10.10.2023 aktualisiert. Wir überprüfen unseren Blog regelmäßig auf Aktualität und freuen uns immer über Feedback, entweder als Kommentar zum Beitrag oder per Mail an nico@guentercoffee.com.

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