Nadine Ngari arbeitet lange in der Werbung, bis sie 2017 den Entschluss fasst, sich als Quereinsteigerin im Kaffeegeschäft zu probieren. Sie importiert im gleichen Jahr 1,2 Tonnen Rohkaffee von Alfred Wasikye und seinem Unternehmen Chanzo Coffee aus Uganda. Alfred ist der Cousin ihres Mannes und baut mit seinem Team in der Region um den Mount Elgon Kaffee an. Den verkauft sie zum Teil und röstet ihn zum Teil selbst, mit Hilfe eines befreundeten Röstmeisters. „Mit dem Röstkaffee habe ich mich in Nienstedten auf den Adventsbummel gestellt und Pakete verkauft, das war die Probe für The Coffee Board“. Die Idee zündet und zwei Jahre später gründet sie ihr Unternehmen, mit dem sie von der Farm bis zur Tasse alles aus einer Hand abdecken möchte. Nadine ist ambitioniert und voller Tatendrang, das merkt man sofort.
Rösten ist nicht alles
Seit der Gründung von The Coffee Board ist viel passiert – Nadine betreibt mit ihrer Familie mittlerweile eine eigene Kaffeefarm in Kenia, wo seit dem Jahr 2020 auf 3 Hektar Land Kaffeesträucher angebaut werden. Außerdem röstet sie und bereitet mit ihrem Team auf verschiedenen Hamburger Wochenmärkten Kaffee zu. Nebenher importiert sie noch Rohkaffee aus weiteren Ländern Ostafrikas: Abgesehen von Uganda und Kenia hat sie auch Bohnen aus Burundi, wo ihre Schwägerin herkommt, und Ruanda im Programm, wo ihre Schwiegermutter vernetzt ist.
Nadines Ziele sind klar: „Ich möchte Kaffee aus Ostafrika bekannter machen und für meine Kunden Transparenz in die Wertschöpfungskette bringen.“ Auf dem Grundstück in Kenia betreibt sie zusammen mit ihrem Mann, ihrer Schwiegermutter und einem kleinen Team außerdem ein Waisenhaus, das über den Verein Orphan’s Hope & Life e. V. getragen wird. Den hat ihr Schwiegervater Dr. Peter John Ngari im Jahr 2007 gegründet, er war der erste kenianische Chirurg in Deutschland. Das Projekt bietet über 25 Kindern ein Zuhause und wird durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und Patenschaften finanziert.
Spotlight: Die eigene Kaffeefarm in Kenia
Wir wollen mehr über Nadines Farm in Kenia wissen. Wie sieht es dort aus, wie viele Kaffeebäume werden angepflanzt, wieso überhaupt eine eigene Farm? „Auf unserer Farm in Kenia haben wir insgesamt 5 Personen als Stammpersonal. In der Erntezeit wuseln auf der Farm deutlich mehr Menschen aufgrund des Arbeitsaufkommens. Die Arbeit auf der Farm ist in verschiedene Teile gegliedert, jeder Mitarbeiter hat seinen eigenen Bereich. Wenn jemand fertig ist, hilft er bei den anderen aus. Auf unseren 3 Hektar Anbaufläche stehen etwa 3500 Kaffeesträucher“, erzählt Nadine. Geerntet wird zweimal pro Jahr, „eine kleine Ernte im Mai und Juni und die Haupternte im September. Alles passiert von Hand, nur die Wasserpumpe ist elektrisch“, sagt sie weiter.
Die Varietäten auf den Farmen in Kenia sind durch Regierungsvorgaben stark begrenzt. Auf der Farm von Nadine wird zwischen Bananen und Mangobäumen die typische Sorte SL 28 angebaut. Der Kaffeeanbau und der Betrieb sollen möglichst nachhaltig sein, das bedeutet für sie: „Die Farm soll komplett eigenständig funktionieren, während menschliche, tierische und pflanzliche Ressourcen möglichst schonend genutzt werden. Unsere Mitarbeiter bekommen ein Festgehalt und Boni sowie eine langfristige Perspektive, die Ochsen sollen nicht überlastet werden, Dünger produzieren wir selbst und Wasser wird sparsam eingesetzt. Es kommt aus dem Fluss, der über unser Grundstück fließt.“ Langfristig will Nadine auf ihrer Farm ein Regenwasserreservoir mit Tank anlegen, „aber“, so sagt sie, „das ist sehr aufwändig und nicht von heute auf morgen geplant, finanziert und umgesetzt. Nachhaltiges Arbeiten ist ein Prozess.“
Damit ihr nachhaltiges Farmprojekt Früchte trägt, ist sie auch auf Beziehungen mit anderen Röstereien angewiesen, auf die sie sich verlassen kann. Dafür sind langfristige Zusammenarbeit und klare Kommunikation gefragt. „Außerdem wünsche ich mir von meinen Geschäftspartnern Geduld. Bei der Arbeit mit vielen kleineren Produzenten sind die Beziehungsgefüge komplex und es kommt immer wieder zu Verspätungen. Das gehört dazu, wenn Qualität und Fairness im Fokus stehen sollen“, führt Nadine aus.
Im Jahr 2023 erntet Nadines Team schon 7,5 Tonnen Kaffee, der an eine Kooperative verkauft wird. „Jetzt fehlt nur noch mein Aufenthaltstitel, damit ich direkt exportieren kann. Mein Mann besitzt die Kenianische Staatsbürgerschaft, unsere Kinder haben somit auch ein Anrecht darauf. Bis es bei mir soweit ist, muss ich noch die Bürokratie aushalten“, erklärt sie.
Co-Roasting in Hamburg als nächstes Projekt
In Hamburg will sie neben der Rösterei und den Wochenmärkten auch die Röstercommunity stärken und dafür einen „Co-Roasting“-Raum schaffen, wie es ihn zum Beispiel von Communal Coffee in Berlin gibt. Dort rösten, packen und cuppen über 10 Hersteller ihre Bohnen. „Die Kaffeewelt in Hamburg ist sehr segmentiert und jede Rösterei kocht ihr eigenes Süppchen, obwohl es sehr viele Röstereien gibt. Ich möchte die Leute zusammenbringen. Baristi sind zum Beispiel super vernetzt und unterstützen sich oft gegenseitig bei Competitions. Aber wo sind die Röster? Ich möchte einen Ort schaffen, wo man sich trifft und austauscht.“
Wir danken Nadine sehr für ihre Zeit und das Interview, wünschen viel Erfolg mit dem Co-Roasting-Projekt und freuen uns schon auf neue Bohnen aus Uganda oder einem anderen ostafrikanischen Land.